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Rainer Wölzl

Jedem, der sie zum ersten Mal sieht, prägen sich die Figuren von Rainer Wölzl sogleich auf Dauer ein – ihr typischer Schwebezustand zwischen gegenständlich lesbaren Körperformen und deren Verselbständigung in plastisch modellierten Chiffren behauptet eine selbständige Position im Spektrum des heute Möglichen und Praktizierten. Die Traditionen der Figurenkunst und die immer noch gegebene Ausdruckskraft des Leibes sind bekannt – nach Jahrzehnten der Dominanz anderer Medien ist heute der Legitimierungsdruck der ehemaligen Mitte künstlerischer Produktion unter dem Druck der viel weiterreichenden grundsätzlichen Expansion und Verdünnung der Kunstbegriffe endlich verschwunden. Und Rainer Wölzls Arbeit zeigt, welche Sinnbezirke heute von figuraler Kunst angesprochen werden können.
(...) Gemeinsam ist diesen Arbeiten ihre scheinbare Kontextlosigkeit. Die anthropomorphen Körper schweben vor einem Nichts, stehen auf keinem Grund, sind in keinem Raum lokalisierbar. Sie scheinen in keinem uns bekannten oder zugänglichen Lebensraum zu existieren.
Was bedeutet das? Ist die irritierende und gleichzeitig den Betrachter dieser Bilder geradezu magisch bannende Spannung zwischen der Erinnerung an körperlich Erlebtes und dessen expressiv-surrealer Verfremdung nur jenseits unserer üblichen Umwelt denkbar und lebensfähig?

Ist die Umraumlosigkeit dieser Schwebeformen Hinweis auf deren Künstlichkeit? „Artifizielles sagt mehr über die ‚Realität‘ aus als jeder ‚Realismus‘“, sagt Rainer Wölzl selbst. Die künstliche Isolation der künstlichen Körper in einer hintergrundlosen Welt, die nichts erzählt und keine Hinweise gibt, ist vielleicht mit der romantischen Sehnsucht nach dem Horizont vergleichbar, einer voraussetzungslosen Welt des Neubeginns, wohl auch der Reinheit und Utopie einer reinen Kunst-Essenz, die ungestört ihren eigenen Gesetzen folgen kann.
Jedoch: Im Fluchtpunkt dieser Deutungsrichtung lauert die Gefahr des Idealismus, der zugunsten der Reinheit von Ideen jederzeit bereit ist, humane Kriterien über Bord zu werfen. Wölzls Weltanschauung geht exakt in die entgegengesetzte Richtung und nimmt die reale Wahrheit des Fleischlichen wörtlich, statt es in Symbolen zu verklären. (...)

Matthias Boeckl
aus: Rainer Wölzl - Der Reigen. Bronzen und Zeichnungen. Ausstellungskatalog. Herausgegeben: Schwarz Edition Wien und Galerie Jürgen Hermeyer, München,  2004

Rainer Wölzl - „Der Meister der schwarzen Bilder“

Rainer Wölzls Lieblingsfarbe ist das Schwarz. Die Bevorzugung von Schwarz, sei die Verweigerung ausführlicher, bunter und damit literarisch und banal zu werden.

Schwarz und weiß erscheinen bei Wölzl als die Pole von Geburt und Tod, Freude und Trauer, Kommen und Verschwinden, Ab- und Anwesenheit zwischen denen sich unser Leben bewegt. Zentrales Thema des Künstlers ist der Mensch in seiner Welt. Paare in Umarmung und Trennung, Menschen vereinzelt in der Menge in apokalyptischem Umfeld. Rainer Wölzl legt den Finger in die Wunde; und er tut das mit großem Ernst auf der Suche nach den Wahrheiten unserer Existenz zwischen Leben und Tod, Liebe und Entsagung, Tat und Opfer.

Man hat Rainer Wölzl zu Recht einen ‚produktiven Leser‘ genannt. Seit seinem Studium bildet die Erfahrung, die er über Literatur gewinnt, einen Ausgangspunkt für seine Arbeit. Er selbst bezeichnet sein Oeuvre insgesamt als „textbezogen“. Zwischen 1986 und 1994 sind z.B. Zyklen von Zeichnungen, Radierungen, Gemälde und Skulpturen entstanden: zu Franz Kafka, Pier Paolo Pasolini, Georg Trakl, Jean Genets "Der Balkon" oder Lautréamonts "Die Gesänge des Maldoror", Samuel Becketts "Der Verwaiser", Paul Celans Todesfuge, Fernando Pessoa und Garcia Lorca.

Es sind dies bemerkenswerte graphische Interpretationen der Texte, die nie Illustrationen sind, sondern persönliche Begegnung mit den Texten. „Literarische Texte werden zur schöpferischen Quelle seiner Arbeit. Er verwandelt ‚literarischen Raum‘ in ‚malerischen Raum‘… transformiert und transfiguriert die Texte in seiner Arbeit, nur dadurch können die Bilder jenes Eigenleben führen (das heißt, dass er schon im Akt der Lektüre Künstler ist.)“ (Gabriel Ramin Schor). Der Text dient ihm, der sich selbst „Bildner“ nennt, als Sprungbrett in die eigene Imagination. Die ‚Geschichten‘ sind schon in Texten erzählt, die Bilder führen weiter in eine andere Welt.

Rainer Wölzl gehört zu denjenigen Künstlern, die mit ihrer Arbeit einen politischen Anspruch verbinden. Wölzl erhebt moralischen Anspruch, übt Sozialkritik und hat sich konsequent der "Ästhetik des Widerstands" ausgesetzt. "Das Verstummen, die Lähmung derer, deren Los es war, in die Erde gestampft zu werden" sei "weiterhin spürbar", zitiert Wölzl Peter Weiss und versucht zugleich, mit einer "Malerei des Verschwindens" dieses Verstummen in doppeltem Sinn aufzuheben: Einmal zu bewahren gegen die kreischende Ästhetik der bunten Warenwelt, zum zweiten aber den Verstummten eine Art Stimme zu verleihen. In den tiefen Farbräumen dieser Malerei des Verschwindens sei die Figuration an den „Rand des Verstummens“ getrieben.

Rainer Wölzls Arbeit könnte auch mit dem Begriff der Mehrfachcodierung beschrieben werden. Unter Anwendung unterschiedlichster Erfahrungen, wie informeller, tachistisch prozessorientierter Malerei, konkreter Figuration und konstruktiver Elemente, ist Wölzl der heutigen Wirklichkeit, präziser der Gewaltsamkeit dieser Wirklichkeit, auf der Spur.

 
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