Galerie.Z
   

Das Paradies ist nie dort wo man gerade ist
Christian Ruschitzka in der Harder Galerie.Z

Für den 1962 im steirischen Mürzzuschlag geborenen und heute in Wien und Burgenland lebenden und arbeitenden Künstler Christian Ruschitzka gibt es eigentlich keinen idealen Ausstellungsraum. Es sei die Arbeit selber, die sich überall behaupten müsse. Von ihr lebe der Raum und nicht umgekehrt. Ruschitzka, der seit 2000 die Prototypenwerkstätte für Industriedesign in Paolo Piva leitet und auch eine Dozentur an der Universität für angewandte Kunst in Wien inne hat, kommt eigentlich von der Bildhauerei. Er studierte bei Helmuth Gsöllpointner in Linz und bei Bruno Gironcoli in Wien, arbeitete für Walter Pichler und entwickelte dabei eine eigenständige, humorvolle Sprache. Seine bildhauerischen Werke handeln vom Verformen, Häuten, Verdichten oder von der Entfunktionalisierung und Rückführung von Alltagsgegenständen auf ihr Ausgangsmaterial. Er bringt Eis und Schnee zum Schmelzen, entwickelt ironische Stützhilfen für Bücklinge oder setzt Landschaften in Bewegung. Seine Skulpturen und Installationen sind im selben Masse kurios und ironisch wie voller Perfektion in der Ausführung. Schräg sind auch die Titel seiner Arbeiten, beispielsweise wenn es heisst, „Es ist verboten, den Strand mit Fischen zu betreten“.  Zu seinen skulpturalen Werkserien entstehen zumeist zahlreiche Skizzen und Projektzeichnungen, aber auch eigenständige Zeichnungen, die das dreidimensionale Schaffen auf der zweidimensionalen Ebene ergänzt und weiter führt. Von diesem Blickwinkel aus betrachtet steht das Zeichnerische Oeuvre fast auf Augenhöhe mit der Skulptur, wie der Künstler immer wieder unter Beweis stellt. Die Kunsthistorikerin  Ute Burkhardt schreibt im Begleittext zur kommenden Ausstellung des Künstlers in der Harder Galerie.Z: „Christian Ruschitzkas Zeichnungen entfalten in hohem Masse die transformatorische Kraft der Kunst, stellen uns Metaphern seiner Visionen zur Verfügung und sind zugleich immer
poetisch, sorgen für Überraschungen und Irritationen und verfügen über sehr viel feinen
Humor. Seine Zeichnungen sind lustvoll und wecken das Begehren auf Kommendes.“

Die Haut als Oberfläche der Erinnerung

Mit seinen Zeichnungen in der Galerie.Z setzt sich Ruschitzka unter anderem mit dem Thema „Gänsehaut“ auseinander. Dabei zoomt er sich beispielsweise auf die vergrösserten Poren und Borsten, die Zwischenräume oder die  Schatten von Härchen ein zeichnet sie ins Überdimensionale. Eine Gänsehaut bekommt man etwa, wenn man friert, wenn man Angst hat oder wenn man sich zulange im Wasser befindet. Der Künstler sieht in der Gänsehaut auch eine Metapher zu den Flüchtlingen, die etwa in Lampedusa gestrandet sind. Durch die mediale Dauerpräsenz ist die Allgemeinheit bereits abgestumpft. Das Schicksal dieser Gestrandeten wird kaum mehr wahrgenommen. Darüber könne man nur den Kopf schütteln, meint Ruschitzka. Das Grauen steigt auf und damit die Gänsehaut. Er möchte das Los der Flüchtlinge nicht zeichnerisch nicht direkt ansprechen, das wäre ihm zu banal. Für die Fahrt über das Meer, das mögliche Kentern, die Ungewissheit vor der Zukunft, stelle die Gänsehaut eine sinnbildliche Entsprechung dar. Die Haut als ein körperliches Element, das auf die Vorgänge reagiert und diese auch abspeichert.

Die Argonauten von heute

Für Christian Ruschitzka sind die Flüchtlinge die eigentlichen Helden von heute. Er zieht denn auch Parallelen zur griechischen Heldensage rund um Jason und die Argonauten. Die Argonautensage ist die wahrscheinlich älteste Heldensage Europas. Sie berichtet, wie Jason die grössten Helden der griechischen Mythologie um sich versammelt und sich gemeinsam mit ihnen auf die Suche nach dem Goldenen Vlies macht. Ruschitzka: „Das Motiv der Heldenreise ist seit damals fest im kollektiven Wissen des Westens verankert und wird in unzähligen Märchen und mittelalterlichen Legenden durchdekliniert, in modernen Romanen und im Hollywood-Kino, von der Gralssuche bis zu Star Wars.“ Und diese Flucht vor unerträglichen Zuständen, vor Krieg und Armut, und der Aufbruch ins Ungewisse, findet unter veränderten Vorzeichen auch heute noch statt. Wie dereinst Jason und die Argonaten müssen heute Syrer, Afghanen, Afrikaner und viele andere Völker wegfahren, um überhaupt überleben zu können. „Die afrikanischen Flüchtlinge, die mit meist völlig untauglichen Booten Richtung Europa in See stechen, können mit einigem Recht als ganz reale Nachkommen der legendären antiken Helden betrachtet werden. In den Medien und im öffentlichen Diskurs findet der Wagemut dieser modernen Argonauten jedoch keinerlei Anerkennung. Wenn sie die Überfahrt überhaupt überleben, stranden sie in Lampedusa oder in Sizilien und sind gezwungen, dort ein Schattendasein zu fristen. An der sizilianischen Südküste, im Hafen von Pozzallo, existiert ein Schiffsfriedhof, viele der Wracks mit Schriftzügen überzogen, 'sprechende' Schiffe also, wie einst der Sage nach auch die Argo,“ erläutert der Künstler.

Paradiesunterwegs

Der aus der Steiermark stammende Künstler nennt seine Ausstellung in Hard „Paradiesunterwegs“. Ein Titel, der doppelbödig ist. Denn die Flüchtlinge verlassen ihre Heimat in der Hoffnung, in Europa das Paradis oder bildlich gesprochen das „Goldene Vlies“ zu finden. Ein Wunschtraum, der spätestens bei der Ankunft an den Grenzen entillusioniert wird. Denn das Paradies ist nie dort, wo man gerade ist, sagt Ruschitzka. Und dieses Aufbrechen zu unbekannten Ufern wiederholt sich im Verlauf der Geschichte immer wieder. Und was immer geblieben ist, ist die „Gänsehaut“. Sie steht gleichsam als Bindeglied zwischen den griechischen Helden der Mythologie und den Helden von heute.  Die Gänsehaut als „Conclusio des Grausens und des Grauens“, wie es der Künstler  formuliert.

Häutungen

Der Zyklus „Paradiesunterwegs“ in der Galerie.Z ist ein Teilprojekt des Grossunterfangens „Häutungen“, an dem der Künstler bereits seit 20 Jahren arbeitet. Ausgehend von der Frage nach der Eigentlichkeit von Objekten entnimmt er alltäglichen Gegenständen deren sichtbare Oberfläche, um Wirklichkeiten neu verhandeln zu können. In der Vergangenheit waren es meist Möbel (Sessel, Schränke, Betten), deren Lackschicht abgelöst und auf transparenten Kunststofffolien neu aufgebracht wurde. Von dem Gegenstand, der ursprünglich wesentlich über seine Räumlichkeit sowie seinen Gebrauchswert definiert war, bleibt durch die Häutung nur das verdichtete Gesehene in einer tafelbildähnlichen Fläche übrig. Nun plant der Künstler, auch einem der auf dem Schiffsfriedhof von Pozzalio dahinrottenden Flüchtlingsboote sprichwörtlich die Haut abzuziehen und gleichsam als „Goldenes Vlies“ des Hier und Jetzt zu präsentieren.

©Karlheinz Pichler

 
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